Online-Redaktion: liesmichnet.de


036 - TANZ - element X - Henze-Projekt

Ruhr2010: Das Henze-Projekt – element x

Die Ballett-Sensation in Dortmund

Das Dortmunder Ballett-Ensemble feierte die Premiere des neuen Tanzstückes "element x" des chinesischen Choreografen Xin Peng Wang im Harenberg City-Center. So ungewöhnlich wie der Ort – so ungewöhnlich ist auch der Tanzabend "element x" zum Kulturhauptstadtjahr. Eine Begegnung mit dem Außergewöhnlichen.

Von Dietmar Wolfgang Pritzlaff



Das Harenberg City-Center ein Verlagshaus mitten in der Dortmunder Innenstadt, genau neben dem Hauptbahnhof ist Austragungsort für ein sensationelles Ballettstück. Entfesselt von dem ursprünglichen Guckkasten Bühnengefühl des Dortmunder Theaters wird mit den Ausdruckformen des Tanzes das Verlagshaus Harenberg "erkundet und erforscht, ertastet und ertanzt". Und der Zuschauer darf hautnah dabei sein, mittendrin, auf Tuchfühlung mit den Tänzer und Tänzerinnen.

Der bekannte Choreograph Xin Peng Wang, seit 2003 Ballettdirektor am Theater Dortmund schuf mit "element x" (Bild links: element x - Risa Tateishi und Monica Fotescu-Uta, ©Björn Hickmann, Stage Picture) ein quicklebendiges Tanzstück zum Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010. Xin Peng Wang arbeitet seit 1996 als freier Choreograph in Amsterdam, Antwerpen, China und Deutschland. Zu dem Stück "element x" inspirierten ihn altchinesische Gedichte "Briefe aus dem Exil" des Verbannten Sung Yü. Die Gedichte werden teilweise auch von Xin Peng Wang im Original vorgetragen, was zwar nicht jedem Zuschauer verständlich ist, setzt es doch das Verständnis der chinesischen Sprache voraus, aber es ergibt ein Klangbild welches sich wunderbar harmonisch an einen pantomimischen Tanz schmiegt.

Auf der anderen Seite inspirierte den Choreograph das Werk des Komponisten Hans Werner Henze, der heute in Italien lebt. Die RUHR.2010 hat den aus Gütersloh stammenden Komponisten wiederentdeckt und widmet ihm und seinen zahlreichen Werken an vielen Orten im Ruhrgebiet eine Art Wiederentdeckungs-Retrospektive: DAS HENZE-PROJEKT. Dieses Projekt beinhaltet ein Musiktheaterstück in Gladbeck, eine Internetoper, Konzerte und Henze-Aufführungen in Essen, Dortmund, Bottrop uvm. Ein ebenso ungewöhnlicher wie kompromissloser Experimentalist. Ein Komponist der immer wieder neue Wege beschritt und musikalisch experimentierte. Desweiteren sind Musikstücke von David Bowie, John Cage, I. F. Biber und Maurizio Cazzati harmonische Grundlagen für die ausdrucksstarken Tänze. Passend für diesen Ballettabend im Harenberg City-Center. Und die Tänze präsentieren sich mal auf schleichendem, fast pantomimischem Wege, mal laut und zum Mitmachen anregend. Sie werden dem erst verstörten, schon bald aber mitgerissenen Publikum an unterschiedlichen und ungewöhnlichen Orten dargeboten.

Es beginnt mit einer Ortserkundung des Foyers des Harenberg-Verlags-Centers durch vier Tänzer und Tänzerinnen, weißgeschminkt, wie Conférenciers begleiten sie das Publikum, durchqueren es in schleichenden Schritten, um dann schnell Schutz zwischen den Zuschauern zu suchen und in der Masse wieder unterzugehen.

Als nächstes werden die Zuschauer in den Amphisaal geleitet, lauschen meditativen Gitarrenklängen des Gitarristen Hans-Werner Huppertz und beobachten einen Tänzer der erst nur zögerlich dann aber entschieden ein grau den Raum ertanzt. Er spinnt Fäden und knüpft sie in dem Raum zum Schluss auch an die Zuschauer. Auch hier wird der Raum erst zaghaft erkundet, angenommen und dann für sich erobert.

Wieder im Foyer beginnen Paare den gläsernen Raum zu füllen, ihn zu durchqueren und ihn einzunehmen. Dazu fällt ein vorher gespanntes seidiges Tuch auf die Zuschauer und aus luftiger Höhe seilen sich vier Männer ab.

Es geht eine Etage tiefer und ein Tänzer im Raum und ein Tänzer im Glaseingang kommunizieren durch ihren Tanz. Der eine "befreit" den anderen, gibt ihm Mut aus der Enge des Glaseingangs zu fliehen. Tänzer und Tänzerinnen geleiten die Besucher in den nächsten Raum.

Hinter Netzen wabern Kunstnebelschwaden und die Conférenciers tanzen dahinter zur rhythmischen Musik und zu den Diskokugellichtern. Einige Tänzer und Tänzerinnen stellen Zuschauer "in Position" zur Betrachtung der Szenerie. Aus dem Untergeschoß katapultieren vier gläserne Aufzüge die Besucher in den 18 Stock. Beim Austreten aus den Aufzügen wird der Zuschauer überrascht: In schwindelerregender Höhe hängen zwei Männer außen vor den Scheiben und schlagen Kapriolen über dem Abgrund.

Dann geht es weiter in einen Raum der nach drei Seiten mit riesigen Scheiben ausgestattet ist. Es bietet sich ein herrlicher Blick über das schon nächtliche Dortmund. Vor den Scheiben dieser Lichtkulisse tanzen zwei Frauen und ein Mann und verharren desöfteren vor den großen Scheiben in erhabenen Posen.

Mit den Aufzügen geht es wieder einige Stockwerke hinab. Auf den Gängen zwischen den Etagen wird getanzt. Zum Schluss auch wieder im Foyer. Das internationale Ensemble aus jungen, frischen unverbrauchten Tänzern und Tänzerinnen aus Rumänien, Usbekistan, Armenien, Schweiz, Brasilien, Türkei, Großbritannien, Niederlande, Australien, Spanien, Japan, Russland, Ukraine, Albanien und Serbien tanzen allesamt auf höchstem Niveau. Mal klassisch auf Spitze – mal modern in Anzügen und Stöckelschuhen.

Der große Applaus zum Schluss gehört nicht nur den Tänzern und Tänzerinnen, es wird dem Choreographen wie dem Gitarristen gehuldigt und auch dem ungewöhnlichen Tanzort gehört ein großes Stück der Euphorie.

Für alle Tanzbegeisterten ist dieser Abend ein Muss. Leider sind die nächsten Termine bis Ende Juli schon ausverkauft. Kartenanfragen für die Zusatzvorstellungen, aufgrund der großen Nachfrage am 18. und 27. Juni bitte direkt ans Theater Dortmund.

Die Termine:
02.05. / 13.05. / 05.06. / 18.06. / 27.06. / 02.07. / 03.07.2010

Das Ballett Dortmund:
Arsen Azatyan
Sergio Carecci
Burak Serkan Cebeci
Rosa Ana Chanza Hernandez
Eugeniu Cilenco
Eveline Drummen
Luke Aaron Forbes
Monica Fotescu-Uta
Barbara Melo Freire
Andrei Moraiu
Masanobu Negishi
Yuri Polkovodtsev
Mark Radjapov
Esther Perez Samper
Taulant Shehu
Jelena-Ana Stupar
Risa Tateishi
Philip Woodman


Fotostrecke zur Aufführung: Pressefotos



eingestellt am: 26.04.2010