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042 - ruhr2010 - Das Ende der Loveparade

RUHR.2010 – Das Ende der LOVEPARADE

Am heutigen Tag, den 25. Juli 2010 wird das AUS der Loveparade verkündet. Einfach so. Die Loveparade hat den Veranstaltungsort Duisburg im Ruhrpott nicht überlebt. 19 Tote und 340 Verletzte Raver ist die schreckliche Bilanz dieser seit 21 Jahren so erfolgreichen Dance-Parade der Technoszene. „Friede, Freude, Eierkuchen“ – das Motto der allerersten Parade damals noch in Berlin 1989 – gibt es nicht mehr. Die Zeit der Unschuld ist vorbei.

Von Dietmar Wolfgang Pritzlaff

LOVEPARADE bei diesem Wort wippen die Technofans auf der ganzen Welt. Zur RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas hatte der Pott die Parade zum dritten Mal. Zweimal schon konnte erfolgreich im Pott gefeiert werden. Zu erst in Essen, mitten in der Stadt und dann Dortmund auf der B1 und an den Westfalen Hallen. Und es kamen immer über 1 Millionen Feierwütige um friedlichst miteinander Spaß zu haben, zu tanzen und die Technoszene zu feiern.

Über 1 Millionen Menschen fast jedes Mal. Warum klappte es also nicht in Duisburg?
Viel zu klein war und ist das Gelände des alten Güterbahnhofs. Für eine Masse von 500.000 Menschen wäre es zwar noch zu klein, aber man könnte noch zusammenrücken. So geschehen ab ca. 17.00 Uhr als fast kein Truck mehr fahren konnte weil es einfach keinen Platz mehr zum befahren gab.

Man hätte also niemals auf diesem Gelände und in der viel zu engen Stadt Duisburg die LOVEPARADE veranstalten dürfen. Hat denn niemand vorher sich über diese Massen Gedanken gemacht?

Man konnte über 3 Millionen Menschen verköstigen und Spaß haben lassen auf der A-40 beim großen STILL-LEBEN der RUHR.2010. Warum hat man nicht gleich wieder auf er A-40 gefeiert und die LOVEPARADE dort ziehen lassen? Man hat doch Erfahrung mit der Absperrung der großen Straße schon in Dortmund sammeln können.

Einzig und allein war der Veranstaltungsort Schuld an der ganzen Misere. Wie kann man zur LOVEPARADE einen Platz umzäunen? Das ist nicht die LOVEPARADE. Das ist ein Gefängnis. Genau daraus wollte man hinaus auf die Straßen. Über 10 Jahre funktionierte das prächtig in Berlin und auch die ersten Jahre im Ruhrgebiet, in Essen und Dortmund. Besonderen Dank der Stadt Bochum, die einfach nochmals genauer schauten und rechneten und sich dann gegen eine solche Massenveranstaltung aussprach und die Loveparade zur Zwangspause verdonnerte.

Duisburg sollte anders werden. Duisburg wollte brillieren um jeden Preis, so scheint es. Duisburg wird wie Ramstein und Radevormwald ein Ortname mit üblem Beigeschmack werden. Kein besonders gutes Image, das die RUHR.2010 jetzt überschattet. In alle Welt gehen die grausamen Bilder der Panik und wenn man diese Bilder sieht, kann man kaum glauben, dass es „NUR“ 19 Tote gab.

Mein ganz besonderes Lob gilt den Ravern, Tanzwütigen, Feiersüchtigen, Drogenverseuchten, Alkoholisierten und allen sonstigen Technofans die wieder einmal und das schon im 21ten Jahr, friedlich feierten und Spaß haben wollten. Mein Lob gilt diesen Menschen, die auch beim Abbruch der Parade zum größten Teil ruhig blieben. Wo Gruppierungen anderer Massenveranstaltungen ausgerastet wären, Feuer gelegt, Autos umgeworfen und Flaschen geworfen hätten, trotten Hunderttausende dem Bahnhof entgegen, um dort festzustellen, dass es stundenlang keine Möglichkeit geben wird um nach Hause zu fahren.

Schon kurz nach dem offiziellen Start der Trucks konnte man erahnen, dass diese Massen nicht untergebracht werden können. Das Chaos begann mit 11 Leuten auf den Schienen und einer Sperrung des Hauptbahnhofs.
Dann rollten schon die nächsten Züge in den Bahnhof und alle Wege waren von wartenden Menschen verstopft. Die Raver hatten schon den Hals voll als sie endlich vor den Toren standen und Nachdrängende immer mehr wurden.

So etwas gab es bisher noch nicht bei der Loveparade: Zäune, einen Festplatz, von dem keiner mehr runter oder rauf kam. Man hätte Eintrittskarten verkaufen sollen, dann hätte man nur 400.000 Menschen auf das Gelände gelassen. Aber niemand kam auf die Idee durch Radio und Fernsehen bekanntzugeben, dass niemand mehr nach Duisburg kommen sollte, da es keinen Platz mehr gab, für noch mehr Technofans.

Aber die Züge rollten und brachten mehr und noch mehr Menschen nach Duisburg.
Schon am Bahnhof fing man die Technofreaks ab und erklärte ihnen, dass es keine Möglichkeit gebe auf den Platz der LOVEPARADE zu kommen. Die Eingänge sind gesperrt.

Erklär mal einem Raver der quer durch Deutschland oder sogar aus dem Ausland wie Holland, Belgien, Dänemark, Frankreich etc. das er zwar schon die Musik hören kann aber niemals auf das Festgelände kommen wird.

Die Menschen drängten sich zu allen Seiten auf den Bahnhofsvorplätzen. Sie versuchten über die Gleise und anderen Straßen irgendwie in die Nähe des Festplatzes zu kommen.

So eine aufgebrachte Menge gab es bei der LOVEPARADE noch nie. Völlige Verständnislosigkeit die spürbar in der Luft hing auch nicht. Der Ärger machte sich Luft, immer wieder an verschiedenen Orten nicht nur vor dem Bahnhof, sondern auch am Eingang zum Platz. Und als nichts mehr in der Enge der zusammen geferchten Fans im Tunnel geht macht sich Panik breit. Gedränge, Geschubse und Ängste um das eigene Leben. Solche Bilder sind nicht die LOVEPARADE. Solche Gefühle gehören nicht zur Loveparade. Solche Umstände gehören nicht zur LOVEPARADE.

In 21 Jahren hat es nie größere Unfälle oder Auswüchse gewalttätiger Art gegeben. Friedlich zog man durch die Straßen, ließ schamlos die Hüllen fallen und urinierte auch schon mal in den Tiergarten oder an Hauswänden, aber diese Panik, diese Angst – NEIN – das ist wahrlich nicht der große friedvolle Erfindergedanke eines DJ Dr. Motte und seiner LOVEPARADE.

„Man hätte die LOVEPARADE sofort abbrechen müssen...“ Nein, nein und nochmals NEIN. Die Massen, und es waren schon bestimmt 700.000 die auf dem Platz feierten hätten wahrscheinlich die volle Panik bekommen und man hätte eine noch schlimmere Bilanz ziehen können.

Die Tanzwütigen, die an der Hauptbühne feierten ahnten nichts von den Unglücken hinter den alten Industriehallen auf dem Güterbahnhofgelände. Gut so. Sie tanzten ausgelassen bis kurz vor 23 Uhr bis ein abruptes Ende der Musik die Leute aufhorchen und staunen ließ. Eine Lautsprecherdurchsage schallte durch die Nacht und ließ die Fans ungläubig zur großen Bühne starren. Manche konnten und wollten nicht begreifen was dort vor sich ging. Ein so Ende. Viele blieben stehen und konnten nicht glauben das ihre LOVEPARADE zu Ende war. „Die Loveparade ist zu Ende, bitte geht nach Hause...“ hieß es.

Ohne Abschlusskonzert? Ohne Abschlussfeuerwerk nach Musik? Ohne Abschlussworte der Veranstalter? Einfach so... Schluss... Aus... ???
Geplant war ein Philharmony-Orchester live, klassisch zu Technoklängen zu spielen. Ach wären die schlimmen Sachen nicht passiert...

Und die Raver und Technofans gingen nach Hause. Immer noch völlig verwirrt aber sie gingen. Zwar mürrisch, noch nicht befriedigt und noch nicht wirklich voll von der Technomusik aber sie gingen friedlichst nach Hause. Sie versuchten es wenigstens. Bis um 05.00 Uhr in der früh dauerte der Abtransport der wartenden Feiermassen. Dann gab es die erste Entspannung für den Hauptbahnhof Duisburg.

Traurig was aus der vielgeliebten LOVEPARADE geworden ist. Totgemacht, tot-geordnet, tot-organisiert und jetzt der Tot aus den Reihen derjenigen, die einfach nur Spaß haben wollten. Die Unschuldigsten an der ganzen Sache.

„Friede, Freude, Eierkuchen“ gibt es nicht mehr. Die Zeit der Unschuld ist vorbei. Die LOVEPARADE nur noch Geschichte. Der Gedanke von Friede und Freude der LOVEPARADE wird mit den Toten dieser Veranstaltung beerdigt werden.

Schade, es hat 21 Jahre Spaß gemacht. Wer weiß, was aus dieser Riesenparty noch alles hätte werden können. Es war immer die größte Technoparty der Welt. Hoffentlich hält die Welt diese Party in guter Erinnerung.

Bilder der LOVEPARADE 2010 mit viel Spaß von Tanzenden, von Nackten, von Bunten und Schrillen   -ohne Kommentar und ohne Schreckensbilder-    als großes Lob an die friedlichen Feierwütigen finden sich hier:

FOTOS zur Loveparade 2010: FOTOSTRECKE

und auch die RUHR.2010 spricht ihr Mitgefühl auf ihren Seiten aus:
http://archiv.ruhr2010.de

 


eingestellt am: 25.07.2010